Station 3: Musa e.V.

"Bis Mitternacht an der Grenze"

Eine heimliche Liebe zur Zeit der deutschen Teilung

Im folgenden Interview mit Christoph Buchfink unterhalten sich die Schülerinnen des THG mit dem Theaterschauspieler aus Süddeutschland über die realen Hintergründe zu seiner Jugendliebe aus der ehemaligen DDR, die er durch einen Jugendaustausch kennenlernte und die er in seinem Theaterstück „Bis Mitternacht an der Grenze“ verarbeitet hat.

Guten Tag Herr Buchfink. Herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft mit uns über die realen Hintergründe Ihres Theaterstückes „Bis Mitternacht an der Grenze“ zu erzählen. Erzählen Sie uns doch genauer, wie ist die Begegnung zwischen den Kirchengemeinden zustande gekommen und wie haben sie davon erfahren?

Es gab Initiativen der PastorInnen aus Ost und West, deren genaue Vorgeschichte ich nicht kenne. Vermutlich wurde inoffiziell eine entsprechende Vereinbarung der Kirchenleitungen in DDR und BRD getroffen, die dann an interessierte Gemeinden weitergegeben wurde.

In meinem Fall hatte der Ev. Kirchenkreis Schwäbisch Gmünd mit der Jungen Gemeinde Ilmenau Kontakt aufgenommen und den Austausch geplant.

Zu dieser Zeit war ich in der Jugendarbeit aktiv, habe Jugendgruppen angeleitet und mit anderen gemeinsam eine „Teestube“ als kleines Kulturzentrum in unserem Städtchen (Lorch/Württemberg) organisiert. Darum wurde ich von der Jugendreferentin des Kirchenbezirks persönlich angesprochen, ob ich Interesse an solch einem Austausch als Friedensinitiative hätte (die ausgewählte Personengruppe musst absolute Geheimhaltung gewährleisten).

Waren die kirchlich organisierten Treffen legal?
Aus Sicht der jeweiligen Kirchengemeinden und der Westpolitik war es ein privates, friedliches und legales Treffen. Die offizielle Machtpolitik in der DDR sollte eigentlich nichts davon erfahren, damit die Treffen nicht verboten würden. Aber bereits bei unseren Treffen (jeweils in den Osterferien) sind die Teilnehmerlisten entdeckt worden und wir hatten täglich „Trabbis“ oder „Wartburgs“ mit Abhöranlagen der Stasi vor der Kirchengemeinde in Berlin-Treptow, die uns rund um die Uhr überwachten.

Was waren Ihre Beweggründe, an diesem Austausch teilzunehmen?

Ich war bereits in der Friedensbewegung aktiv und fand diesen Blick über den Tellerrand extrem spannend. Zudem war ich mit der aktuellen Politik im Westen bzw. in der BRD unglücklich und wollte mehr über andere Länder und Systeme erfahren. Der Zwang, Wehrdienst bei der Bundeswehr leisten zu müssen, der für mich nur durch intensive Beschäftigung mit dem Thema Krieg-Frieden und meinem eigenen Gewissen/meiner eigenen Ethik überwindbar war (um die Wehrdienstverweigerung durch zu bekommen, also die „Gewissensverhandlungen“ zu überstehen), hat mein Interesse verschärft, die aktuellen Weltmachtstrukturen zu verstehen.
Haben sie durch die Begegnung Dinge über DDR gelernt, die sie vorher nicht wussten?

Definitiv. Zuvor war nahezu nichts bekannt. Nur Wenige im Westen, die keine Verwandten in der DDR hatten, interessierten sich für die Situation in diesem Land. Die meisten wussten nur, dort herrschten die Sowjets in einer Partei-Diktatur, die man nicht genauer kennenlernen wollte.
Symptomatisch war der Spruch aller Erwachsenen gegenüber uns systemkritischen Jugendlichen

„Wenn’s dir hier nicht passt, dann geh doch nach Drüben!“



Durch den Austausch mit Menschen unterschiedlichsten Alters aus der DDR, durch die Eindrücke der Reise (Transit per Zug durch die DDR samt intensiver Kontrolle an den Grenzübergängen) und die Unternehmungen in Berlin (Ost) hat sich mein Weltbild extrem erweitert. Vor allem die persönlichen Erzählungen der anderen und der spielerische Austausch untereinander (Vertrauensspiele, Tanz, Diskussionen, Zweiergespräche) waren da sehr hilfreich.

Beschreiben Sie uns doch bitte genauer, wie Sie die Beziehung der Bürger zur Kirche im Osten im Vergleich zum Westen wahrgenommen haben.

In der DDR hatte die Kirche für die meisten Menschen die Funktion des Schutzes, einer Nische. Hier waren offene Begegnungen unter Gleichgesinnten möglich.

In der Bundesrepublik waren die Kirchen sehr unterschiedlich. Während beispielsweise unser Evangelischer Kirchenbezirk Schwäbisch Gmünd sehr weltoffen und aktiv war, hat sich die Gemeinde meines Heimatorts Lorch durch extremen Konservativismus behauptet. Es gab Gemeinden mit sehr engem Bibelverständnis, reiner Bibeltexttreue, verkrusteten Rollenverhältnissen, Missachtung der Frauenrechte, etc. … und dazu zählte unsere Gemeinde leider auch. So etwas hätte man in der DDR wohl nicht angetroffen.

Warum haben sie sich schließlich dazu entschieden ihre Erlebnisse in einem Theaterstück aufzuarbeiten. 

Ursprünglich wollte ich ein Buch dazu schreiben, direkt nach der Grenzöffnung, was mir aber aus Zeitgründen nicht gelang.

Als mir nun in den letzten Jahren klar wurde, dass die Zeit der Teilung immer mehr verklärt wurde (Ostalgie etc.), war es für mich an der Zeit, diese Geschichte all denen zu erzählen, die nach der Wende geboren wurden und für die DDR-Bundesrepublik nur Geschichte aus Geschichtsbüchern ist. Mein Anliegen war es, durch die Erzählung persönlicher Schicksale etwas Nähe und Verständnis zu schaffen. 

Die mir als Theatermacher zur Verfügung stehenden Mittel sind Erzählung, Schauspiel und Figurentheater … also habe ich diese genutzt, um ein Stück Zeitgeschichte aus persönlichem Blick zu erzählen.

Das Interview führte Anna Schönle vom THG Göttingen
Die tragische, romantische, schöne, traurige und doch so humorvolle Geschichte einer ersten Großen Liebe zu Zeiten der Teilung DDR-BRD
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